Der Kolosserhymnus

Der Christushymnus Kol 1,15-20 nimmt nicht nur im Kolosserbrief eine zentrale Stellung ein, sondern ist auch fr das Verstndnis der frhen Christologie insgesamt von groer Bedeutung. Seit einem halben Jahrhundert ist die Auslegung des Textes hchst umstritten und von einer Vielzahl von Hypothesen belastet. Es ist blich geworden, verschiedene Passagen des Textes als sptere Zustze zu einem ursprnglichen Hymnus anzusehen. Christian Stettler wagt einen exegetischen Neuansatz. Ausgehend von neueren Forschungen zur Geschichte des Frhjudentums und Urchristentums bestimmt er das historische und traditionsgeschichtliche Umfeld des Textes neu. Er analysiert die Form des Textes vor dem Hintergrund der alttestamentlichen und frhjdischen Psalmdichtung und interpretiert seine Aussagen von der alttestamentlich-frhjdischen Traditionswelt her. Dabei sucht er nicht nur nach isolierten Parallelen zu einzelnen Formulierungen und Vorstellungen, sondern verfolgt das Werden der fr Kol 1,15-20 mageblichen alttestamentlichen Traditionen insgesamt und begreift den Text aus einem gesamtbiblischen berlieferungsproze heraus. Kol 1,15-20 erweist sich als ein formal und inhaltlich geschlossenes Ganzes, das ohne die Annahme von Zustzen stimmig interpretiert werden kann. Der Kolosserhymnus ist eine Art christologischer Midrasch; er versteht das Neue der Geschichte Jesu mit Hilfe alttestamentlich-jdischer Denkkategorien. Die frhjdische Weisheitstheologie bildet die Klammer um die verschiedenen Aussagen des Hymnus, weil sich in ihr schon in vorchristlicher Zeit viele seiner Traditionen miteinander verbunden hatten. Trotzdem wurden die Aussagen des Hymnus erst durch Lehre und Werk, Tod und Auferstehung Jesu ermglicht.