Die Melancholie

"Obgleich ich schon im Laufe der letzten Jahre mich vielfach davon berzeugen konnte, da Flle, die wir frher als Melancholie zu bezeichnen pflegten, dem manisch-depressiven Irresein zuzurechnen seien, war ich doch berrascht, aus den Nachforschungen zu ersehen, da in fast allen Fllen, die genauer untersucht werden konnten, die frher diagnostizierte Melancholie den Ausgang in Genesung genommen hatte oder doch einem solchen Ausgang entgegen zu gehen schien; allerdings waren die Zeiten, die der Krankheitsverlauf in Anspruch genommen hatte, vielfach ganz auerordentlich lange. Aus diesen Erfahrungen ergibt sich, da wenigstens fr die Hauptmasse derjenigen Kranken, die wir als Melancholische bezeichnet haben, kein zwingender Grund mehr vorliegt, sie vom manisch-depressiven Irresein abzutrennen, zumal sich die verschiedensten Zwischenstufen zwischen mehrmaliger und nur einmaliger Erkrankung im Leben aufweisen lassen. Es erklrt sich aus dieser Feststellung, die allerdings nur fr denjenigen berzeugend ist, der das manisch-depressive Irresein in weitem Sinne auffat, warum alle die Versuche, das Symptomenbild der Melancholie von demjenigen der zirkulren Depression abzugrenzen, so auerordentlich unbefriedigend ausfielen und immer von neuem wieder zu Tuschungen fhrten." [...]

Emil Kraepelin (1856 bis 1926) war ein deutscher Psychiater, auf den bedeutende Entwicklungen in der wissenschaftlichen Psychiatrie zurckgehen.

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Das vorliegende Buch ist ein unvernderter Nachdruck der historischen Originalausgabe von 1907.