Die Rolle des Miggangs in einer Theorie des guten Lebens

Die Konjunkturkurve der Themen innerhalb der populren Sachbuchkultur spiegelt weitgehend die Sorgen und Nte der Zeit wider. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in einer Zeit zunehmender Beschleunigung und Rationalisierung von Produktions-, Kommunikations- und Entscheidungsprozessen Entschleunigung, slow food und Mue Themen von ffentlichem Interesse sind, denen sich Publizisten gern und vielfach erfolgreich zuwenden. Zu diesen gehren auch vereinzelt Philosophen. So hat sich im 19. Jahrhundert Schopenhauer die gepflegte Langeweile bei Frauen in brgerlichen Kreisen vorgenommen und einerseits zum Gegenstand sozialkritischer Polemik, andererseits zu einer Grundkategorie seiner Leidenslehre gemacht. Russell hat mit seinem Buch "In praise of idleness" den heraufziehenden Stress eines taylorisierten Alltags in den 1920er und 1930er Jahren gegeielt. Wie Ulrich Schnabel in Deutschland (Mue, Mnchen 2010) hat sich auch der britische Erfolgsautor Hodgkinson um eine philosophische Fundierung seiner Konzeption eines arbeitsentlasteten Lebens bemht, wobei er nicht lange suchen muss, um in der Geschichte der philosophischen Lehren vom guten Leben eine groe Zahl von Modellen zu finden. Was er dabei freilich bersieht, ist, dass Philosophen (einschlielich Sachbuchautoren) dank ihres angeregten Gedankenlebens ber eine second world verfgen, die schlichteren Menschen weitgehend verschlossen ist und die sie unter Unttigkeit und Einsamkeit strker leiden lsst, so dass die Verherrlichung der Mue Gefahr luft, von vielen vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelten Renten- oder Sozialhilfeempfngern wie blanker Hohn erlebt zu werden.