Diebstahl und Raub in den Islndersagas

Diebstahl und Raub sind ebenso wie Gaben reziproke Handlungen mit vielfltigen literarischen Einsatzmglichkeiten. Obwohl widerrechtliche Aneignungen schon auf den ersten Blick zu den zentralen Themen einer Wikingerliteratur zhlen, wurden diese Verbrechen von der Sagaforschung bisher kaum beachtet. Sie funktionieren jedoch nicht nur als Einfallstore in die Erzhlwelt der Islndersagas und deren narrativen Verfahren, sondern gewhren auch Blicke auf die zugehrigen Wertvorstellungen. Die Islndersagas erzhlen von den ersten Generationen, die nach der Besiedelung Islands gemeinsam eine neue Gesellschaft formen. Um deren wichtigste Mastbe, Ansehen und Ehre, zu erreichen und zu stabilisieren, mssen smtliche Angriffe auf Person und Besitz angemessen vergolten werden. Heimlicher Diebstahl und offener Raub fordern die Siedlergesellschaft heraus, eine Neubewertung von Status und Ansehen aller Parteien anzustellen. Diese Verbrechen funktionieren damit als Kristallisationspunkte der Handlungsstrnge und lassen die Eigenschaften der erzhlten Welt hervortreten. Dieses Buch will die geheimnisvolle Komplexitt der Diebsthle erschlieen und damit ein Fenster in die Vorstellungswelt der Islndersagas ffnen.