Erzhlen von Macht: Narratologische Studien zur Freyinga saga

Die Freyinga saga ist ein einzigartiger Text im Kontext der altnordischen Literatur. Als einziger vormoderner Text hat sie die Frer im Nordatlantik zum Gegenstand, deren Geschichte sie im Stile einer Islndersaga als Familienkonflikt auserzhlt, ist selbst aber nur als Interpolation in anderen Texten berliefert. Drehte sich die bisherige Forschungsdiskussion stets um ihre Historizitt, Datierung, berlieferung, Gattung und Ideologie, so betrachtet die vorliegende Studie den Text als Erzhleinheit in diesem Spannungsfeld und fragt textimmanent nach ihren Themen und Erzhlverfahren. Als zentral stellen sich narrative Portraits verschiedener Akteure im Streit um politische Macht und Einflusssphren in der kleinen Inselgesellschaft heraus, die mitunter paradox und die Deutung irritierend gegeneinander modelliert werden und so die Rezipienten zu eigenstndiger Einordnung des Dargestellten aufrufen. Die Erzhlstrategien der Saga zielen insofern auf eine ffnung des Textgehalts zur Interpretation ab, der so nicht allein Einblick in vormoderne Vorstellungswelten und zeitgebundene Diskurse ermglicht, sondern die altislndische Erzhlkunst als Medium der Erzeugung sozial relevanter Diskussion und ihrer Grundlagen offenbart.