Kairos

Zwischen 1919 und 1933 fanden nicht nur Polit-Hasardeure und barfige Propheten ungeahnte Massenresonanz - auch ein eher randstndiger Begriff erlebte eine einzigartige Karriere: der Kairos. Besonders im Religisen Sozialismus feierte er, flankiert von Trabanten wie "der rechte Augenblick", "die erfllte Zeit" oder "die Forderung des Tages", Triumphe als Pathosformel theologischer Zeitdeutung und suggestive Chiffre politisch revolutionrer Entscheidungsrhetorik. Die faszinierende Bedeutungsflle des Begriffs verlieh ihm hohe sprachmagnetische Anziehungskraft, lieferte ihn aber auch gefhrlichen Aneignungsattacken im intellektuellen Umfeld der nationalsozialistischen Machtbernahme aus. Gesttzt auf reiches, weithin unbekanntes Archivmaterial untersucht Alf Christophersen die Rollenspiele charismatischer Begriffskmpfer auf den Bhnen politisch-ethischer Konflikte in der Weimarer Republik und richtet dabei sein Augenmerk vorrangig auf einflureiche protestantische Theologen der Zeit. Tradierte Deutungsmuster der neueren Theologiegeschichte werden kritisch revidiert: In hermeneutisch subtiler Relektre von Schlsseltexten vielfach vergessener "Augenblicks"-Diskurse und przisen, ideenhistorisch wie literarisch-begriffsgeschichtlich orientierten Konstellationsanalysen gewinnt das Profil von Akteuren wie E. Troeltsch, K. Barth, F. Gogarten, E. Hirsch, R. Bultmann, M. Heidegger, St. George und insbesondere P. Tillich schrfere, zum Teil berraschend neue Konturen.