Locke's Lehre von der menschlichen Erkenntnis

"Der Verschiedenheit der Ansicht ber den Ursprung der menschlichen Vorstellungen und Begriffe ist nicht erst seit Kant eine ber die Grenzen der Psychologie hinausgreifende Bedeutung beigelegt worden. Nachdem jedoch Kant fr die Geschichte der reinen Vernunft allgemeine Gesichtspunkte aufgestellt hatte, auf welche sich die wesentliche Verschiedenheit der metaphysischen Versuche sollte zurckfhren lassen, von denen der eine eben die Verschiedenheit der Ansichten ber den Ursprung der Begriffe als Unterscheidungsmerkmal hervorhob, sind neben Aristoteles und Plato Locke und Leibniz vorzugsweise als Reprsentanten zweier ganz verschiedener philosophischer Denkweisen angesehen und der Gegensatz der psychologischen Ansicht ber den Ursprung der Begriffe, ob sie aus der Erfahrung entlehnt oder angeboren seien, nicht nur fr ein Merkmal, sondern auch fr den Grund der divergierenden Richtungen dieser Denker, ja der metaphysischen Lehrmeinungen berhaupt gehalten worden. Whrend jedoch bei Leibniz vorzugsweise dessen Metaphysik die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, sind die Untersuchungen Locke's ber die menschliche Erkenntnis vorzugsweise von Seiten der in ihnen niedergelegten psychologischen Errterungen ins Auge gefasst worden, und die Bedeutung des ihm im Gegensatze zu Leibniz beigelegten Empirismus und Sensualismus fr die Metaphysik erschien als so geringfgig, dass man auch da, wo man dem absoluten Idealismus der nachkantischen Philosophie in Deutschland nicht huldigte, ihn hchstens als einen Vertreter des gewhnlichen gesunden Menschenverstandes hat gelten lassen. Dieses Urteil hat sich in neuester Zeit zum Teil dahin modifiziert, dass man die grosse Bedeutung Locke's nicht blos fr seine Zeit, sondern fr die Geschichte der Philosophie berhaupt wieder bereitwillig anerkannt hat." [...]

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