Paulus und die kaiserzeitliche Epistolographie

In den Papyrusbriefen kaum gebildeter Absender sozial niederer Herkunft meinte A. Deimann zu Beginn des 20. Jh. eine Erklrung fr die formalen und stilistischen Unterschiede der paulinischen Briefe gegenber den literarischen Briefen gefunden zu haben. In diesen Unterschieden spiegle sich nicht der semitisch-jdische Hintergrund der Paulusbriefe, sondern ihre Zugehrigkeit zur nichtliterarischen Gebrauchsprosa. Damit einher ging die Betonung des Gelegenheitscharakters der Paulusbriefe, der sie zum unmittelbaren und ungeknstelten Ausdruck der Person und des religisen Empfindens ihres Verfassers mache. Gegenber diesen Positionen, die bis heute in der neutestamentlichen Forschung prsent sind, stellt Thomas Johann Bauer ausgehend von den Briefen an Philemon und an die Galater die Frage, ob die Briefe des Paulus tatschlich so unliterarisch und kunstlos sind, wie A. Deimann meinte. Dazu entwickelt er auf der Grundlage der antiken Brieftheorie und im Blick auf die formalen Konventionen und Funktionen des Briefes in der Antike differenzierte Kriterien fr die Analyse und Kontextualisierung der paulinischen Briefe. Zustzlich werden kommunikationstheoretische berlegungen einbezogen, die in den letzten Jahren in der Klassischen Philologie fr die Analyse antiker Briefe nutzbar gemacht wurden und den Blick fr die gezielte briefliche Selbstdarstellung des Absenders geschrft haben. Auf der Grundlage dieser methodischen berlegung entsteht ein Programm, das auch eine nahtlose Integration rhetorischer Aspekte (Argumentation und Ethopoiie) in die Briefanalyse ermglicht.