Umweg Leben

Schon morgen knnen Sie zu den Betroffenen gehren.

Es ist definitiv mein letzter Urlaub und hier endet die Reise meines Lebens. Seit vierzehn Tagen komme ich jeden Morgen, fast zur gleichen Zeit, zur Rialtobrcke und schaue ber den Canal Grande und bin jedes Mal berauscht, Venedig erwachen zu sehen. Ich schliee die Augen, atme die Luft und geniee diese einsame Nacht. Ein leichter Wind zieht auf und streichelt mich mit einem zarten Hauch von Einsamkeit. Ich liebe die Einsamkeit, sie ist mir die wichtigste Gefhrtin, neben meinem Seiltnzer, in meinem Leben geworden. Heute ist der 5. August und der Seiltnzer in meinem Kopf ist abgestrzt und gestorben. In den letzten zwei Jahren war er mein stndiger Begleiter und ist mir ein verlsslicher Freund geworden. Er hat Wort gehalten und erfllt mir meine Sehnsucht. Er nimmt mich mit zu seinem letzten Auftritt im Nirgendwo.

Eine Achterbahnfahrt der groen Gefhle. Die Fahrt der sterblichen Liebe eines Verlorenen in die Einbahnstrae seines Lebens.

Der Suizid gilt nach wie vor als gesellschaftliches Tabuthema. Nur die wenigsten Selbstmrder hinterlassen einen Abschiedsbrief und lassen somit ihre Angehrigen in ihrer tiefen Verzweiflung und Ratlosigkeit zurck. Weltweit nehmen die jhrlichen Suizide dramatisch zu und werden in der Regel von der ffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Jedes Jahr gehen weltweit eine Million Menschen durch Selbstmord aus dem Leben. Dazu kommen etwa zehn bis 20 Millionen gescheiterte Suizidversuche, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Allein in Deutschland verlassen uns pro Jahr ber 11.000 verlorene Seelen, dreimal mehr als alle Opfer im Straenverkehr zusammen. Die Zahl der Verkehrstoten sinkt kontinuierlich, die Selbstmordraten steigen stetig an. Ein kluges Prventionskonzept knnte das Verstndnis fr mentale Erkrankungen frdern; der Einzelne knne Warnsignale erkennen und rechtzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Der Stigmatisierung der Betroffenen knnte dadurch entgeg