Die Brder Grimm und die Mrchentradition

Mit ihren Kinder- und Hausmrchen" setzten die Brder Grimm neue Mastbe und wurden zum Vorbild fr Generationen deutscher und internationaler Volkskundler.
Diese Studie zeigt, dass die offiziellen Behauptungen der Brder Grimm zu ihrer Sammelttigkeit und Vorgehensweisen in offensichtlichem Widerspruch zu ihren tatschlichen Arbeitsmethoden stehen. Ein kritischer Blick auf Inhalt und Aufbau der Vorrede zu Kinder- und Hausmrchen" lsst bereits erahnen, dass die Grimms nicht die ganze Wahrheit erzhlten, sondern lediglich Bruchstcke ihres groen Fachwissens vermittelten, welche sich mit der romantischen Auffassung von einer sich im Absterben befindenden deutschen Erzhltradition und den Forderungen des angehenden Biedermeiers deckten.
Das Ideal der Brder Grimm bestand aus der romantischen Vorstellung einer reinen und unmittelbaren Volksdichtung, die sich seit einer zeitlich unbestimmbaren Vergangenheit unter einfachen und ungebildeten Menschen auf dem Lande erhalten hatte. Weil die Grimms ihre Mrchen fr ihre eigene Gegenwart vermittelten, spielte die romantische Trauer ber den inzwischen vergangenen naiv-kindlichen Glckszustand eine entscheidende Rolle.
Die Brder Grimm sind jedoch niemals - wie z.B. ihr dnischer Nachfolger Evald Tang Kristensen - Mrchen sammelnd von Dorf zu Dorf gewandert. Ihre bekanntesten Stoffe und beliebtesten Motive stammen nicht, wie behauptet, aus dem einfachen Volk, sondern aus dem frankophilen Brgertum ihrer Heimatstadt Kassel oder von den Adelsfamilien Haxthausen und Droste-Hlshoff. Die Grimms mussten daher die verlorene Tradition, die sie bewahren wollten, zuerst selbst erschaffen. Hierbei zeigt sich bei den Brdern Grimm die dem Romantiker auszeichnende, wundersam herablassende Einstellung zur reinen Volksberlieferung: Was ihnen fragmentarisch und unvollkommen vorkam, wurde ausgetauscht oder aus Fragmenten verschiedener Herkunft zu einer neuen Ganzheit zusammengeschrieben.
Bei der enormen Vielfltigkeit des Quellenmater