Kritik der Geschichte

Seit der Genese der modernen Prozegeschichte wie des zugehrigen Bewutseins erhebt sich Kritik an ihren ontologischen, epistemologischen und lebenspraktischen Herrschaftsansprchen. Im Unterschied zur Historismuskritik oder Skepsis gegenber einzelnen Geschichtsphilosophien stellt die Kritik der Geschichte die Universalitt des prozegeschichtlichen Denkens, aber auch eines dadurch bestimmten Daseins berhaupt in Frage. Diese Kritik vollzieht sich weithin als eine Selbstdestruktion des modernen Geschichtsdenkens. Die prozegeschichtliche Synthese mit ihrem Versprechen, Historizitt gleichermaen denken und erfahren zu knnen, zerbricht sowohl realgeschichtlich wie in der wissenschaftlichen und philosophischen Theorie. Einzelne Momente dieser Synthese wie die Vorstellung eines homogenen geschichtlichen Raums oder der unhintergehbaren Geschichtlichkeit der Existenz verselbstndigen sich. Hierdurch entstehen alternative Deutungen individuellen wie kollektiven Daseins in der Zeit. Ihre grundlegenden Mglichkeiten differenzieren sich bereits im 19. Jahrhundert vollstndig gegeneinander aus und bestimmen den Umgang mit dem geschichtlichen Bewutsein bis in die Gegenwart. Jrgen Groe bietet eine Gesamtdarstellung dieser Problematik. Im ersten Teil stellt er eine Typologie von vier Formen der Geschichtskritik auf: berhistorisch, transhistorisch, unhistorisch und antihistorisch. Im zweiten Teil des Buches werden deren Transformationen und Vermischungen im 20. Jahrhundert verfolgt. Dabei zeigt sich, da die prozegeschichtliche Synthese des 19. Jahrhunderts in einer reduzierten Form berlebt hat, nmlich in der liberalistischen Utopie grenzenlosen Wachstums - einer strungsfreien, "ungeschichtlichen" Geschichte.