Performanzkritik der Paulusbriefe

Die biblischen Texte stammen aus einer Kultur, in der die Schrift in der Regel dem gesprochenen Wort diente. Das Geschriebene wurde vor Zuhrern vorgetragen und entfaltete seine Wirkung in einem gemeinschaftlich erlebten Ereignis. Dabei waren ber den semantischen Gehalt des Dargebotenen hinaus auch die Elemente mndlicher Kommunikation von Bedeutung, die in der Schrift nicht erfasst werden knnen und trotzdem ihre Spuren hinterlassen haben, zum Beispiel Tonfall, Blickrichtung, Gestik, die Krperlichkeit der Beteiligten und ihre Interaktion. Performanzkritik, ein neuer methodischer Zugang zu den biblischen Texten, nimmt diese Spuren auf und sucht das Ereignis zu erfassen, fr das der Text gestaltet wurde und zu dem er beigetragen hat. Bernhard Oestreichs Werk ist die erste Monographie in deutscher Sprache ber diese neue Methode der Bibelinterpretation und die erste zur Performanzkritik der Paulusbriefe berhaupt. Im ersten Kapitel behandelt er zunchst die Wurzeln der Performanzkritik. Sie ist aus der rhetorischen Exegese und der Mndlichkeitsforschung erwachsen und nimmt Anregungen aus Theaterwissenschaft und Performanzkunst auf. Danach definiert er Performanz und stellt darauf aufbauend die Methode vor. In den folgenden drei Kapiteln wendet er diese Methode auf die Paulusbriefe und andere frhchristliche Briefe an. Dabei wird erkennbar, dass diese Texte so gestaltet sind, dass der Vortragende durch sie an den Empfngern handelt und Interaktion im Publikum provoziert. Die Paulusbriefe werden als soziale Ereignisse lebendig, ihre Intentionen werden deutlicher erkennbar und das Verstndnis schwieriger Passagen wird erleichtert.