Schuld und Shne

Anfang Juli, in der heiesten Zeit, gegen Abend, verlie ein junger Mann seine Dachkammer, die er von einem Bewohner des S.-Gchens gemietet hatte, und schritt langsam, scheinbar unentschlossen, der K.-Brcke zu.
Er hatte es glcklich vermieden, seiner Hauswirtin auf der Treppe zu begegnen. Seine Kammer befand sich unmittelbar unter dem Dache eines vierstckigen Hauses und glich mehr einem Schrank als einer Behausung. Die Hauswirtin, von der er dieses Zimmer mit Kost und Logis gemietet hatte, wohnte eine Treppe tiefer, und jedesmal, wenn er zur Strae hinunterstieg, mute er an ihrer Kche vorber, deren Tr fast immer weit offen stand; und jedesmal, wenn der junge Mann an ihr vorber schritt, empfand er eine Art krankhafte Feigheit, deren er sich schmte und bei der er das Gesicht verzog. Seit Monaten war er die Miete schuldig geblieben und frchtete, mit der Frau zusammenzutreffen.
Nicht da er feige oder schchtern war, ganz im Gegenteil, aber er befand sich bereits seit einiger Zeit in einem Zustande der Spannung und Reizbarkeit, der an Hypochondrie grenzte. Er hatte sich so in sich zurckgezogen und von allen Menschen abgeschlossen, da er jede Begegnung frchtete, nicht nur die mit seiner Wirtin. Er war bettelarm, aber selbst seine bedrngte
Lage hatte in der letzten Zeit nicht mehr vermocht, ihn zu bedrcken. [...]