Wahrheit und Werturteil

Das Erkenntnisinteresse, das dieses Buch anleitet, gilt dem Begriff der moralischen Wahrheit, der Frage, ob und, wenn ja, warum moralische Urteile Wahrheitsansprche erheben drfen. Mitunter weckt die Rede von moralischer Wahrheit das Gefhl, dass mit ihr etwas eingeengt wird, das zu gro ist. Diesem Unbehagen wird am wirkungsvollsten entgegentreten durch ein besseres Verstndnis, was Wahrheit in der Ethik bedeutet. Unter welchen Bedingungen sind moralische Urteile wahr? Welche Rolle spielt die Frage nach moralischer Wahrheit fr die Verbindlichkeit eines moralischen Sollens? Weshalb ist der Wahrheitsbegriff von Bedeutung fr unsere Orientierung in moralischen Handlungssituationen? Tilo Wesche bercksichtigt zur Beantwortung dieser Fragen die Einsichten der zeitgenssischen Wahrheitstheorien und Metaethik ebenso wie die klassischen Entwrfe des Wahrheitsbegriffs, insbesondere bei Hegel und Heidegger. Er stellt zunchst die Frage nach einem einheitlichen Begriff der Wahrheit, der zugleich durchlssig fr die bereichsspezifischen Unterschiede von Wissenschaft, Technik und Ethik ist. Dann unterbreitet er mit den Mitteln der Korrespondenz- und der Evidenztheorie der Wahrheit den Vorschlag, dass moralische Urteile ihre Wahrheit rationalen Standards verdanken. Die wahrheitsgarantierenden Rationalittsstandards werden zwei Grundmodellen der Rationalitt zugeordnet. Zentral fr das favorisierte Modell ist die Analyse des Phnomens der Selbsttuschung in moralischen Urteilen. Im Rckgriff auf sprachphilosophische berlegungen werden schlielich die wahrheitsverbrgenden Standards als Praxisformen der Sprache in Kunst, Kultur und Kommunikation bestimmt.