Mndliche und schriftliche Autoritt im frhen Christentum

Der neutestamentliche Kanon ist in einem langen Prozess entstanden, dessen Nachzeichnung viele Probleme enthlt, vor allem fr die Zeit bis 200 n. Chr. Jrgen Becker will zur Aufhellung dieses Zeitabschnitts beitragen, indem er bisher kaum beachtete Aspekte herausarbeitet. Dazu gehren die Markierung verschiedener Zsuren in diesem Prozess, die Beachtung kultureller und institutioneller Gesichtspunkte und nicht zuletzt die Bewertung der nachhaltigen Hochschtzung der mndlichen Tradition in dem gesamten Zeitabschnitt. Auerdem werden die Entstehungsverhltnisse der Literatur und der Umgang mit ihr ausgewertet. Als Hauptergebnis stellt er fest, dass die ersten Vorentscheide in Richtung eines neutestamentlichen Kanons erst gegen Ende des 2. Jahrhunderts fallen. Zu den Einzelergebnissen gehren: Die Paulusbriefe wurden zunchst nicht im Gottesdienst vorgelesen, sondern in Gemeindeversammlungen. Die frhen Gottesdienste kannten noch gar keine Lesungen, wohl aber die mndliche Erinnerung an die Jesusberlieferung. Diese bestand nicht aus flchtigen Augenblicksgestalten, sondern aus strukturierten Einheiten, die auch in die zu Beginn der nachapostolischen Zeit entstehende Evangelienliteratur eingingen. Sie wiederum wurde dann bald fr gottesdienstliche Lesungen benutzt. Trotz dieser Wertschtzung konnten die Evangelien daneben weiter bearbeitet und zur Gestaltung neuer Evangelien verwendet werden. Erst die Option des Irenus fr eine abgeschlossene Vier-Evangelien-Sammlung und die Aufzhlung aller fr den Gottesdienst geeigneten "apostolischen" Literatur im Canon Muratori mit der Struktur "Evangelien und Briefe", diese mit dem Kernbereich der paulinischen Episteln, sind entscheidende Schritte auf dem Weg zur Kanonbildung. Der viel diskutierte Rang des Marcion bei der Kanonbildung ist dagegen bescheiden.