"Der Stab mit zwei Enden"

Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Universitt Bayreuth, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Psychologie verlockt sogar den ernsthaftesten Menschen zum Verfassen zum Romanen, und zwar vllig unwillkrlich. Ich spreche von der bertriebenen Psychologie, meine Herren Geschworenen, von einem gewissen Missbrauch, der mit ihr getrieben wird."

Derart verweist der Verteidiger Fetjukowitsch in der zentralen Gerichtsszene von Dostojewskijs Die Brder Karamasow auf die Gefahren der Verwendung der Seelenkunde' zur Erklrung von Mordfllen, da man aus diesem Stab mit zwei Enden" alles ableiten" knne was man will". Mit seinem berhmte[n] Spott auf die Psychologie" scheint die fiktive Gestalt Dostojewskijs dementsprechend gewissermaen die Zugnglichkeit der unbewussten Gedanken bzw. Emotionen selbst anzuzweifeln - eine Annahme, welche die wenig spter entwickelte, psychoanalytische Therapiemethode Freuds eindeutig infrage stellt. Dennoch sind die Vorstellungen von der Psyche bei Freud und Dostojewskij offensichtlich nicht vollkommen gegenstzlich. Ob von Natalie Reber oder aus dem Munde Antonio Oliveros - nur allzu oft wird der russische Schriftsteller von Literaturwissenschaftlern als Vorlufer' des Wiener Arztes bezeichnet.

In dieser Hauptseminararbeit soll diese - bisher in der Forschungsliteratur nicht annhernd kritisch genug reflektierte - Relation zwischen der den Romanen Dostojewskijs zugrundeliegenden Vorstellung von der menschlichen Psyche und den Grundkonzepten Freuds genauer untersucht werden. Der Fokus auf Dostojewskijs letzten Roman Die Brder Karamasow (1879/80) bietet sich dabei besonders an, da sich sowohl Freud-Schler Jolan Neufeld in seiner Schrift Dostojewski - Skizze zu seiner Psychoanalyse (1923) als auch Freud selbst in einem kurzen Artikel mit dem bezeichnenden Titel Dostojewski und die Vaterttung (1928) zu diesem Werk geuert